Im Wartezimmer mit Katja Riewe
Über Kackkrebs, Tassen und Humor.
Max Balzer (Interview)
Noemi Hasler (Illustration)
Katja Riewe lebt mit ihrer Familie in Hamburg. Sie ist 45 Jahre alt, Sängerin in einer Metal-Band – und die Frau hinter krebskacke.de. Dort gibt es Tassen, Aufkleber und Kuscheltiere, die aus echten Gesprächen mit Ärzt*innen, Bekannten oder Zufallsbegegnungen stammen. Humorvoll, bissig – und gnadenlos ehrlich.
Sick People: Katja, warum sollte ein Kacktag mit gutem Kaffee und einer deiner Tassen starten?
Katja: Wenn man schon genug Scheiße an der Backe hat, kann man sich wenigstens an einer Tasse freuen. Und wenn’s dann noch eine mit „Kackhirn“ ist, passt das perfekt – zum Beispiel, wenn das eigene Hirn nach der Chemotherapie mal wieder nicht so will.
SiP: Du schreibst, die Krebsi-Produkte sind in mentalen Kackmomenten entstanden. Kannst du so einen Moment beschreiben?
Katja: Nach der Therapie war der Punkt, an dem die Gesellschaft erwartet: Jetzt läuft wieder alles normal. Tat’s aber nicht. Ich war vergesslich, erschöpft, und ständig kamen diese Sprüche. Also habe ich angefangen, sie bei Instagram zu sammeln. Pinke Kachel, weiße Schrift. Darunter habe ich „Krebskacke“ geschrieben – und gemerkt: Das erleben viele. So habe ich irgendwann angefangen, die Tassen zu gestalten.
„Nach der Therapie war der Punkt, an dem die Gesellschaft erwartet: Jetzt läuft wieder alles normal. Tat’s aber nicht. “
SiP: Auf einer deiner Bestseller-Tassen steht:
„Oh, du hast Brustkrebs! Meine Mutter hatte auch Brustkrebs!“ –
„Und wie geht’s ihr heute?“ –
„Sie ist tot.“
Das sind ja krasse Dialoge.
Katja: Es ist absurd – auch, weil ich exakt dieses Gespräch schon dreimal führen musste. Das sind keine ausgedachten Sprüche, sondern Originalzitate. Wenn ich die auf Tassen packe, kriegen sie einen anderen Rahmen – man kann darüber lachen, aber es wird hoffentlich auch deutlich: Das sind Grenzüberschreitungen.
“Wenn man schon genug Scheiße an der Backe hat, kann man sich wenigstens an einer Tasse freuen. Wenn’s dann noch eine mit ‘Kackhirn’ ist, perfekt”, sagt Katja Riewe.
SiP: Du hast auch den „Kackkrebs“ als Kuscheltier entworfen – hässlich, aber irgendwie cute. Warum sollte man den Kackkrebs kuscheln?
Katja: Vielleicht, weil man manchmal sogar mit dem Schlimmsten ein bisschen Frieden schließen muss. Der Krebs ist ein Teil meines Lebens – auch wenn er kacke ist. So empfinde ich das.
SiP: In den Disability Studies gibt es den Begriff den „Crip Time“, um eine alternative Sichtweise auf Biografie und Zeit zu entwickeln. Wie erlebst du die Zeit, die mit deiner Krebstherapie drauf geht?
Katja: Fünf Jahre nach meiner Krebserkrankung habe ich immer noch drei bis vier Arzttermine pro Woche. Wenn ich dann mit meiner „Fickt euch doch einfach mal alle“-Tasse auf dem Sofa sitze, dann macht das etwas mit mir. Es ist ein kurzer Moment, in dem ich mich besser fühle. Und wenn andere Krebsis mich nach so einer Tasse fragen, freut mich das sehr.
SiP: Manche deiner Produkte könnten auch für Menschen gemacht sein, die andere Erkrankungen oder Behinderungen haben – zum Beispiel, die Tasse mit dem „Kackhirn“. Denkst du, alle Illies sollten ihren eigenen Merch haben?
Katja: Auf jeden Fall. Ich glaube, am Ende zählt, dass Menschen viele kleine Momente haben, in denen sie sich freuen. Und wenn’s ein Schluck aus einer Tasse ist, die genau meine Stimmung trifft – dann kann das einer dieser Momente sein.
Mehr von Katja: krebskacke.de
Musik: Metal-Band Cephyrius
Unser Favorit im Shop: „Kackhirn“-Tasse